Feiernde verprügelten Einsatzkräfte: Das sagen Feuerwehrmänner aus der Region

Einsatzkräfte der Feuerwehr in Thiede wollten einen Heckenbrand im niedersächsischen Salzgitter löschen, doch Gäste einer Silvesterparty hielten sie davon ab: Sie schlugen sie zusammen. Das sagen Feuerwehrleute aus der Region dazu.

Nach dem Angriff auf Feuerwehrleute in Salzgitter haben wir uns in der Region umgehört: Erleben unsere Einsatzkräfte ebenfalls Aggression und Gewalt? Das sagen die Feuerwehrmänner der Region:

Wolfhagen

Frank Brunst

Wolfhagens Stadtbrandinspektor Frank Brunst kann sich noch gut an den Einsatz am 21. September 2003 erinnern. Zum ersten und bislang einzigen Mal mussten die Wolfhager Brandschützer erleben, dass sie bei einem Einsatz nicht nur behindert, sondern sogar angegriffen wurden. Die Einsatzkräfte waren zu einem Brand im Baugebiet auf dem Teichberg in Wolfhagen gerufen worden. Ein Einfamilienhaus, das zwei Wochen später bezogen werden sollte, stand in Flammen. Nicht nur die Wehrleute waren zum brennenden Haus geeilt, auch eine ganze Anzahl von Familienangehörigen der Eigentümer und Bauhelfer, einige alkoholisiert. Und diese beschimpften zunächst die Feuerwehrleute, weil sie der Ansicht waren, diese würden ihren Job nicht verstehen und mit der Masse des Löschwassers das Haus ruinieren.

“Da willst du den Leuten helfen und kriegst dafür noch eine aufs Maul”

 

Frank Brunst, Stadtbrandinspektor

Dann wurden die Unterstützer der Häuslebauer handgreiflich. Feuerwehrleute hielten dagegen, nahmen die rabiatesten Störer in den Schwitzkasten, während die Funkstreife der Wolfhager Polizei Verstärkung anforderte. “Da willst du den Leuten helfen und kriegst dafür noch eine aufs Maul”, sagte Brunst. Für den Wolfhager Stadtbrandinspektor gibt es keinen Zweifel: Wenn Angriffe wie damals in Wolfhagen oder jetzt in Thiede häufiger vorkommen, stellt das den Fortbestand des ehrenamtlichen Rettungswesens in Frage.

 

Fritzlar

Bei Einsätzen der Freiwilligen Feuerwehr könne es hin und wieder vorkommen, dass Menschen aggressiv reagieren, sagt Hartmut Hucke, Stadtbrandinspektor in Fritzlar. Auch in seiner Wehr habe es vor Jahren einen Vorfall gegeben, bei dem ein Mann einen Feuerwehrmann ins Gesicht geschlagen habe, weil er die Situation falsch interpretiert habe. “Wenn die Feuerwehr zu Einsätzen, Bränden, Notfällen gerufen wird, dann sind immer Emotionen im Spiel”, sagt Hucke. Damit müsse man rechnen. Für ihn ist es deshalb besonders wichtig, dass die jeweiligen Einsatzleiter in der Lage sind, die Situation zu bewerten und die Atmosphäre zu erkennen, die aufgeheizt sein könnte. “Es ist wichtig, richtig zu reagieren und besser keine Konfrontation aufkommen zu lassen”, sagt Hucke. Im Falle einer brennenden Hecke, wenn keine Menschen gefährdet sind und sich eine kritische Situation ergibt, müsse man überlegen, ob man die Hecke nicht besser abbrennen lässt und so Problemen aus dem Wege geht. Gibt es Situationen, in denen auch Menschen gefährdet seien, dann sollte man eventuell die Polizei zu Hilfe rufen.

Melsungen

Frank Ebert

 

Frank Ebert, Melsungens Stadtbrandinspektor: „Hatten Gott sei Dank noch keine aggressive Menschen bei Einsätzen.“ Es komme natürlich mal vor, dass jemand aufgeregt und hektisch ist. Aber das sei verständlich, wenn zum Beispiel das eigene Haus brenne. „Aber das jemand gewalttätig geworden wäre, ist noch nie passiert.“

 

Göttingen

Dr. Martin Schäfer, Leiter der Berufsfeuerwehr Göttingen: “An Silvester gab es auch bei uns einige Vorfälle. In Grone wurden wir und unsere Kollegen von der freiwilligen Feuerwehr gezielt mit Raketen beschossen. Wir mussten massive Polizeiunterstützung anfordern, darüber hinaus werde ich natürlich Strafanzeigen erstatten.” Laut Schäfer sei es zudem nicht unüblich, dass in der Silvesternacht Feuerwehr- und Krankenwagen mit Raketen und Böllern beschossen werden. “Auch das erleben wir leider viel zu oft.”

Frankenberg

sm123 Foto: Schelberg Stadtbrandinspektor Martin Trost

Martin Trost

Nicht nur in Salzgitter, auch in Frankenberg hat es in der Silvesternacht einen Zwischenfall gegeben. Feuerwehrleute wurden bei einem Löscheinsatz in der Siegener Straße wegen eines brennenden Carports von einem 20-jährigen Passanten „mehrfach massiv beleidigt“, wie es im Bericht der Polizei heißt. Der 20-Jährige sei „mehrfach aus dem Gefahrenbereich verwiesen“ worden. Er müsse sich nun strafrechtlich verantworten. „Beleidigungen hat es schon mehrfach gegeben“, sagte der Frankenberger Stadtbrandinspektor Martin Trost. „Es ist schon traurig. Da willst du helfen und musst dir noch dumme Sprüche anhören.“

 

Uslar

Delliehausen UslarNeujahrsempfang der Stadt Uslar mit von links Stadtbrandmeister Jörg Jacob, Jutta Jacob und Bürgermeister Torsten BauerFoto: Röber

Jörg Jacob

Uslars Stadtbrandmeister Jörg Jacob: “Dass Einsatzkräfte bei Einsätzen immer wieder angegriffen oder behindert werden, liest man leider immer öfter. Ich bin froh, dass es hier bei uns noch nie zu einer Situation gekommen ist, die eskaliert ist. Bislang konnten diese Situationen, die durchaus unter Anspannung entstehen können, immer geregelt werden. Zu der dortigen Situation kann ich so nicht direkt etwas sagen, da mir der genaue Sachverhalt nicht bekannt ist. Für mich ist es unverständlich, dass es solche Übergriffe überhaupt gibt, denn es kann jeden in unserer Gesellschaft treffen, dass er einmal Hilfe benötigt. Und dann möchten auch diese Personen schnelle und gezielte Hilfe bekommen.”

 

Hofgeismar

Hofgeismars Stadtbrandinspektor Guido Scherp: “Ich finde es erschreckend, dass Leuten, die anderen helfen wollen, mit körperlicher Gewalt begegnet wird. Ich gehe bei diesem Vorfall aber von einem Einzelfall aus. In Hofgeismar hatte die Feuerwehr noch nie Probleme mit Gewalt. Die Freiwilligen in Thiede sollten sich weiterhin für die Allgemeinheit einsetzen. Sie werden dringend gebraucht.

 

Northeim

Sebastian Schipper © Plikat

Sebastian Schipper, kommissarischer Ortsbrandmeister der Freiwilligen Feuerwehr in Northeim, fällt zu dem Vorfall in Salzgitter-Thiede spontan nur ein Begriff ein: “Fassungslosigkeit”. “Man muss sich mal überlegen, dass die Kameraden ausrücken wollten, um anderen zu helfen, und werden von Feiernden zusammengeschlagen. Das Verhalten gegenüber Rettungskräften wird echt immer schlimmer.”

Zwar ist es laut Schipper in der Vergangenheit schon vorgekommen, dass Einsatzkräfte der Feuerwehr beschimpft oder bespuckt wurden, an einen so massiven Angriff wie jetzt in der Silvesternacht in Thiede kann sich der Northeimer Wehrchef aber nicht erinnern.

In der Freiwilligen Feuerwehr Northeim sind derzeit 90 Männer und Frauen aktiv. Pro Jahr rückt die Feuerwehr zu 250 bis 300 Einsätzen aus. (ula, nom, ddd, tno, kat, off, fsd, daz)

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Quelle:

HNA7.de

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